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Ulrike Haider
Europa und die Zukunft der Politik
Agostino Carrino (a cura di), L’Europa e il futuro della politica, Milano, Società Libera, 2002, pp. 315.
Das vorliegende Buch beinhaltet die Sammlung der Vorträge, welche anlässlich einer Tagung an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Federico II zum Thema des europäischen Integrationsprozesses und der Zukunft der Politik Europas gehalten wurden.
Veranstaltet wurde die Tagung gemeinsam mit der unabhängigen Vereinigung Società Libera. Die Aufgabe, die sich die Società Libera selbst gestellt hat ist jene, das Wissen über den Liberalismus zu vertiefen und zu verstärken. Die Società Libera betrachtet es als wichtig, sich auf Fragen und Themenkreise zu konzentrieren, welche die jüngst vergangene und gegenwärtige Phase der europäischen Politik charakterisieren. In den Beitragen werden daher vor allem der europäische Integrationsprozess und das Phänomen der Globalisierung behandelt.
Schon aus den einführenden Worten des Direktors der Società Libera, Vincenzo Olita, geht hervor, daß sowohl die europäische Integration als auch die zukünftige Politik Europas eine tiefgreifende Überdenkung erfordern. Dies vor allem vor dem Hintergrund der entschlossenen Beschleunigung der Integration Europas in Richtung einer politischen Union. Der Zeitpunkt zum Übergang von einer Wirtschaftsunion zu einer politischen Union schient reif zu sein, doch merkt insbesondere Claudio Martinelli kritisch an, dass es hierzu notwendig sei, einen Mechanismus der Legitimation zu errichten, welcher im Einklang mit den gemeinsamen demokratischen Traditionen der einzelnen Mitgliedstaaten stehe.
Die Beiträge behandeln den Themenkreis „Zukunft der Politik Europas“ aus zwei Perspektiven: der erste Problemkreis betrifft die Beziehung zwischen Politik und (individueller) Freiheit und europäischer Integration, der zweite schließlich die Beziehung zwischen Politik, Europa und Globalisierung. Leitgedanke der Beiträge ist die Erfüllung der Konstruktion Europas mit einem kräftigen intellektuellen Gerüst, um den Herausforderungen veränderter Szenarien in Institutionen, Politik und Wirtschaft gegenüber zu treten.
1. - Bei der Frage nach der Zukunft der Politik in der europäischen Integration ergibt eine erste Betrachtung der Beiträge, daß der politische Prozeß durch nicht-politische Methoden zur Orientierung ersetzt werden kann. Es ist dabei vor allem an technokratische und bürokratische Techniken zu denken. Mit der Technokratie - der Führung bzw. Herrschaft der Techniker und Experten - verknüpft ist das Verschwinden der politischen Dimension, sowie die Verschiebung der Funktion des decison making vom Ermessen der Politiker auf das wissenschaftlich rationelle Ergebnis bestimmter sozialer Gruppen. Das technokratische Konzept stellt sich nach Giuseppe Bedeschi der Demokratie frontal gegenüber. Es handle sich dabei um eine andere als die Gewalt des Volkes, um eine dem öffentlichen Einfluß und der direkten und oft auch indirekten Kontrolle entzogene Macht. Während die Demokratie eine „Regierung der Meinung“ ist, ist die Technokratie eine „Regierung des Wissens“. Roberto Racinaro beschreibt die Führung der sog. “Experten“ als eine Überwindung der Wahlfreiheit, als die Politik nur mehr verpflichtende Entscheidungen kenne. Alain De Benoist teilt die Ansicht Racinaros, dass es sich dabei vielmehr um eine einfache administrative Technik handle. Die politische Souveränität würde dabei in Frage gestellt und Überlegungen hinsichtlich des sozialen Zwecks träten in den Hintergrund.
Die Vorstellung, daß Europa einen technokratischen Weg der Integration einschlägt, ist in allen diesbezüglichen Beiträgen, besonders aber in jenen von Giuseppe Bedeschi und Claudio Finzi auf Ablehnung gestoßen. Beide sind der Meinung, dass die Technokratie, welche den Staat und die Politik negiert, höchstens ein negative Utopie sei und immer mehr an Bedeutung in den Sozialwissenschaften und in der politologischen Diskussion verliere. Bedeschi begründet dies damit, daß trotz Globalisierung und europäischer Einheit, in den einzelnen Staaten und europäischen Gesellschaften immer das Problem der Konsensfindung zu den großen Themen und Problemen bestehen bleiben wird. Und dies wiederum kann nur durch Parteien und politische Bewegungen erfolgen. Die Beibehaltung der politische Sphäre in den europäischen Institutionen ist daher gesichert, als die Technokratie schließlich vor allem für diese europäischen Institutionen eine Bedrohung darstelle. Diesem stimmt auch Claudio Finzi zu, wenn er sagt, dass das eigentliche Ziel der Technokratie, welche von einer wesentlichen antipolitischen und gegen den Staat (als maximale Verwirklichung der Politik) gerichteten Haltung getragen sei - die Zerstörung der Politik sei, und damit nicht nur einiger institutioneller Formen, in welchen diese ihren Ausdruck findet.
Einhelligkeit besteht darüber, dass die Technokratie keinesfalls im Stande sei, Antworten auf die großen Entscheidungsprobleme zu geben, welche konkrete Stellungnahmen und Verantwortung erfordern.
2.- De Benoist – in Übereinstimmung mit Bedeschi – hält überdies fest, dass durch das Ersetzen der Demokratie durch die Technokratie die Konzepte von „Links“ und „Rechts“ ihre Bedeutung verlören, ja sich sogar auflösen würden, da es keine Wahl oder Entscheidung der Rechten oder der Linken mehr gäbe, sondern lediglich „obligatorische“, „rationelle“ und „wissenschaftliche“ Lösungen. Die europäische Politik befinde sich in einer Krise. In den Beiträgen von Bedeschi, De Benoist, Martinelli und Racinaro kommt zum Ausdruck, daß rechts und links nicht mehr die gleiche Bedeutung wie in der Vergangenheit haben. Insbesondere Bedeschi weist darauf hin, dass die traditionellen politischen Konzepte eine Überdenkung und Erneuerung erfordern. Im besonderen unterstreicht er, dass sich das linke Lager dem Entwicklungsmodell eines freien Marktes und des Wettbewerbes öffnen sollte. Die Rechte hingegen sollte die Angst vor der „Modernität“ und der Aufgabe des staus quo überwinden, sowie Fortschritt und Innovation annehmen. Die Zukunft der Politik hänge daher stark von der Fähigkeit ab, traditionelle Konzepte zu revidieren und an die neuen Vorrausetzungen und Problematiken unter Beachtung der kulturellen Verschiedenartigkeit anzupassen. Parallel zum technischen Fortschritt, welcher grenzüberschreitend ist, habe sich – so sagt De Benoist – auch ein „Einheitsdenken“ entwickelt, dessen Hauptmerkmal der Glaube ist, dass politische und soziale Entscheidungen ihre Grundlage in rationellen Überlegungen haben und es daher für jedes Problem immer nur eine einzige Lösung gebe.
Die Personalisierung des politischen Lebens, welches gegenwärtig vielmehr in einem „Schlechtmachen“ des politischen Gegners bestehe als in einer ideologischen Konfrontation, beschreibt Roberto Racinaro. Er sagt, dass die Parteien heutzutage ähnliche oder gar gleiche Ziele hätten - der Unterschied bestehe nur in der Art und Weise, diese zu erreichen. Wir sehen uns mit einer radikalen Veränderung des politischen Kampfes konfrontiert, in dem es scheinbar nicht mehr um die Verwirklichung allgemeiner großer Ziele gehe, sondern vielmehr um den Ausbau einzelner individueller Positionen und Wertschätzungen. Die Idee, es könnten alternative Politiken bestehen, habe sich nach Ansicht De Benoists aufgelöst und die Trennlinien zwischen rechts und links seien heutzutage verwischet. Schließlich könne ein Wert wie Gleichheit heute genauso gut ein Wert einer rechtsgerichteten Partei sein, wie wohl kein linksgerichteter Politiker jemals den Wert der Freiheit negieren würde. Aus diesem Grund sind Entscheidungen zu den großen Themen unserer Zeit gemäß einer linken oder rechten Ideologie kaum mehr voraussehbar, da die bisherige Einteilung ihr Wesen und damit ihre Rechtfertigung verloren habe. Desinteresse am politischen Spiel, Wechselwähler und Stimmenthaltungen bei Wahlen seien die Folge. Daran anknüpfend hängt für Claudio Martinelli das Funktionieren der Demokratie in großem Maße von der Möglichkeit für die Bürger ab, zwischen verschiedenen politischen Meinungen und Alternativen zu wählen. Dies sei schließlich die Grundlage aller klassischen Demokratien. Sind denn die beiden Kategorien von Rechts und Links, wie wir sie bisher kennen, überhaupt noch von Bedeutung, um die Meinungen und Passionen des Volkes in sich aufzunehmen und eine bestimmte Vision der Welt darzustellen als Grundlage für politischen Entscheidungen? Martinellis Antwort darauf ist in jedem Fall negativ. Unsere Zeit ist mit neuen Thematiken, Erfordernissen des täglichen Lebens konfrontiert. Probleme wie Konflikte zwischen Kapital und Arbeit oder zwischen Religion und Politik haben nunmehr weitgehend an Aktualität verloren. An ihre Stelle sind viel mehr etwa Fragen zur Bioethik und zum Phänomen der Globalisierung getreten. An dieser Stelle ist die Feststellung von Alain de Benoist von Bedeutung, dass die unkontrollierte und immer schneller werdende Entwicklung der Technik einen erheblichen Einfluss auf die sozialen Veränderungen habe. Fahrzeuge, Fernsehen, Internet, Biotechnologie etc. haben das soziale Leben schneller verändert als ein Regierungsakt dies jemals könnte. De Benoist spricht vom Beginn einer neuen historischen Phase und lässt keinen Zweifel offen, daß die Zukunft die Einteilung in neue Ideologien bringen werde; schließlich impliziere das politische Leben die Beibehaltung des Pluralismus und der Verschiedenartigkeit.
Hier sind wir schließlich bei einem weiteren zentralen Thema der Beiträge angelangt: der Globalisierung. Hinsichtlich dieses modernen Phänomens sind Politik und Philosophie immer noch orientierungslos. Die Globalisierung ist ein Bruch mit der Geschichte der modernen Zeit, sagt Martinelli, da diese die nationale Dimension in Frage stelle. Aber gerade die nationale Dimension war für „Rechts“ und „Links“ der Parameter für ihr politisches Handeln. Wirtschaft und Information haben aber bereits die nationalen Grenzen weit überschritten. Martinelli ist überzeugt, dass die europäischen politischen Kräfte es schaffen werden, neue überzeugende Projekte zur Leitung dieses neuen Phänomens zu entwickeln. Wünschenswert wäre es, wenn die politischen Kräfte auf dieser Grundlage auch neue Konzepte für eine neue Rechte und eine neue Linke entwickeln würden. Da der Bezugspunkt der Politik nicht mehr wie bisher der Nationalstaat ist, sehen Barcellona und Manzella in einem Überstaat die Möglichkeit zu einer politischen Reorganisierung, um die schwachen Interessen zu schützen ohne dabei die kreative Kraft des Weltmarktes zu behindern. Was die Rolle des Liberalismus in der Gestaltung der Zukunft Europas mit verschiedenen politischen Lagern betrifft, so sieht Martinelli dessen Aufgabe vor allem darin, tiefe Wurzel in die politischen Lager zu legen und maßgebliche Parameter zu entwickeln, um die grundlegenden Themen unserer Zeit zu interpretieren, an welchen sich die politischen Kräfte messen müssen.
3. – Ausgehend von der Position Martinellis, welcher in einem supranationalen Staat das einzige geeignete Instrument sieht, um den grenzenüberschreitenden Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft entgegenzutreten, soll in ein weiteres zentrales Thema übergeleitet werden: die Erörterung der Möglichkeit und Rolle einer europäischen Verfassung. Die Regierungskonferenz hat sich die Erfüllung der Grundrechtscharte mit juristischer Verbindlichkeit für das Jahr 2004 vorbehalten. Das erscheint nicht weiter tragisch, folgt man Claudio Rossano, welcher aufgrund historischer Erfahrungen davon ausgeht, dass der politische Wert einer Vereinbarung oft viel bindender sei als die bloße Einfügung von Vereinbarungen in einen Rechtstext. Für die Reife einer „Freiheit der Europäer“ spricht nach Manzella die Geschwindigkeit, mit welcher der Europäische Gerichtshof, der Gerichtshof erster Instanz und das Europäische Parlament bereits Parameter für den neuen grundlegenden Maßstab für die Menschenrechtscharte der Europäischen Union festlegen. Vincenzo Caianiello sieht eine Begründung für die Vorbehaltung der Entscheidung, ob die Grundrechtscharte von Nizza verfassungsrechtlichen Wert haben soll, möglicherweise in der Angst, dass dies eine Bestätigung der Souveränität eines „Überstaates“ bedeuten könnte, welche uns nur wenige Schritte von der Geburt eines föderalen Staates trenne. Nach Rossano hingegen reflektiert die Anerkennung einer europäischen Bürgerschaft an die einzelnen Bürger jeden einzelnen Staates die Souveränität der Mitgliedstaaten. In seinem Beitrag unterstreicht Rossano (wie auch Manzella und Hofmann), dass de facto eine überstaatliche Verfassung der Europäischen Union bereits bestehe, und zwar als eine Verfassung der Gemeinschaftspolitik. Er stellt somit auch die unüberwindbare Grenze eines bloß juristischen Einigungsprozesses Europas fest. Dieser müsste sich mit den historischen Gegebenheiten, also jedenfalls mit den bereits bestehenden Verfassungen und den einzelnen Staaten auseinandersetzen. Manzella spricht hinsichtlich der neuen Supranationalität auch von einer Union der Verfassungen und nicht von einer Staatenunion. Da das Ziel der Europäischen Grundrechtscharte (wie es bereits der Name sagt) der Schutz der Menschenrechte sei, sieht Hofmann darin einen ersten Schritt in Richtung einer europäischen Föderation (Bund), da es sich schließlich um die Schaffung einer politischen Vereinigung handle. Ingolf Pernice hingegen betrachtet bereits die europäischen Verträgen als Grundlage zur Entwicklung eines Vertrages, welcher schließlich durch die Einbindung der Bürger als Verfassung der Union erklärt werden könne.
Barcellona unterstreicht die Wichtigkeit von gemeinsamen Werten innerhalb eines symbolischen Raumes. Dieser symbolische Raum sei undenkbar ohne einer politischen Verfassung der neuen europäischen Gesellschaft. Die Konstruktion Europas sei nur möglich in der Schaffung eines neuen juristischen Weges, in welchem die kulturellen Traditionen sich vereinen und anerkannt werden. Er weist darauf hin, dass Europa nicht bloß ein „juristisches Produkt“, sonder vielmehr eine Einheit politischer, sozialer und kultureller Institutionen sein solle. Von Bedeutung ist auch die Beobachtung Barcellonas, dass die europäische Grundrechtscharte verglichen mit den nationalen Verfassungen rückständig sei. Im Gegensatz dazu sieht nämlich Andrea Manzella darin den Übergang von einer Rechtsunion zu einer „Verfassungsunion“. Die Europäische Grundrechtscharte ist das Resultat eines langen Prozesses der Konstitutionalisierung, ein Prozess, welcher seine Grundlage in einer Politik des Schutzes der Grundrechte hat.
Mit der Schaffung einer europäischen Grundrechtscharte ist auch Thema der individuellen Freiheit eng verknüpft. Welche Rolle kommt hierbei den europäischen Gemeinschaften zu? So stellt Antonio Gambino die Problematik der weltweiten Durchsetzung von Grund- und Freiheitsrechten und der staatlichen Souveränität und die damit verbundene territoriale Einschränkung der Durchsetzbarkeit der Grundrechte ohne In-Frage-Stellung der Position des Staates und ohne Gefahr für die internationale Staatengesellschaft dar. In Hofmanns Beitrag kommt deutlich eine Verwunderung über das Vorliegen eines demokratischen Mandats für die Ausarbeitung der europäischen Menschenrechtscharte zum Ausdruck, sowie auch Fragen hinsichtlich ihrer Form.
4.- Das Problem der Anordnung der Staaten mündet nicht zufällig in eine Reihe von Fragen zur staatlichen Organisationsstruktur. Überlegungen hierzu haben – ausgehend von der Idee des föderalen Systems - vor allem Peter Pernthaler und Giuseppe Duso angestellt.
Pernthaler beschreibt das System des asymmetrischen Föderalismus, welches aus einer Kombination von föderalen – zum Teil sehr unterschiedlichen – Strukturen homogener Art besteht. Die Aufgaben der einzelnen autonomen unterstaatlichen Systeme rechtfertigten sich aufgrund ihrer besonderen geographischen Lage, aufgrund ihrer eigenen sozialpolitischen Struktur oder aufgrund nationaler ethnischer Vorgaben.
Die Einbeziehung der Regionen oder auch „Kleinststaaten“ (wie immer man sie auch nennen mag) in gemeinschaftsrechtliche Institutionen und Vorgehensweisen könne nur asymmetrisch erfolgen. Eine solche Einbeziehung sei bedeutsam, um eine dynamische und autonome Rolle der Regionen im europäischen Integrationsprozess zu garantieren. Das demokratische Prinzip in Europa könne nur durch die Einbeziehung der Regionen in den gemeinschaftsrechtlichen Prozess gesichert werden. Pernthaler erachtet daher bürgernahe Strukturen als unabdinglich für eine Integration der Mitgliedstaaten.
Gleicher Ansicht scheint auch Duso zu sein, wenn er von der Wichtigkeit, Interessensgruppen (Arbeit/Religion/Gebiet etc.), welche ja Ausdruck des Willens des Individuums seien, eine gesteigerte politische Bedeutung zukommen zu lassen. Dies erleichtere die Teilnahme des Individuums am politischen Leben durch eine breite Auswahl an Räumen und Möglichkeiten.
Bei einer vertieften Erwägung des Föderalismus als Organisationsform für Europa werden in jedem Falle – so merkt Duso wohl an – traditionelle Konzepte ins Spiel gebracht, welche einer Überdenkung von der untersten Grundlage weg – dem Individuum und der Freiheit –erfordern.
5.- Schließlich hat sich auch in der Wirtschaft die Bezugsgröße verändert: der Markt, welcher sich bisher innerhalb der Grenzen eines Staates befand, hat sich zu einem Weltmarkt entwickelt. Maßgebendes Element hierfür sind nach Cisnetto vor allem die Finanzmechanismen, welche eine globale Dimension erlangt haben, welcher sich die Unternehmen anpassen mussten. Er wirft die Überlegung einer „global governance“ auf und stellt die Frage, ob das klassische System der repräsentativen Demokratie in Beziehung gebracht mit der Notwendigkeit der Errichtung globaler Institutionen denn fähig sei, ein Gegengewicht und eine Kontrolle über diese vieles beherrschende Wirtschaft zu sein. Er erhofft sich in der europäischen Integration eine Antwort auf die veränderten Erfordernisse der Märkte in allen Sektoren und unterstreicht die Gefahr der Hegemonie der USA, welcher ein starkes Europa gegenüber stehen sollte. Eine außergewöhnliche Beziehung zur Politik entstehe insofern, sagt Cisnetto, als der amerikanische Notenbankpräsident der bedeutendere Entscheidungsträger für grundlegende Mechanismen sei und nicht - wie es scheine - der amerikanische Präsident. Cisnetto wirft die Frage nach dessen demokratischer Legitimierung – da dieser ja nicht gewählt ist - auf. Hier ist an Pasquale Pasquino anzuknüpfen, der sich mit der Frage nach dem Motiv und der Legitimierung der Übertragung der Gewalt von den gewählten Repräsentativorganen auf nicht gewählte Körper beschäftigt, welche dadurch befähigt sind, Mehrheitsentscheidungen zu behindern sowie eine Kontroll- und Ausgleichsfunktion über gewählte Organe auszuüben. Dies führt uns schließlich wieder an den Anfang der Betrachtungen zurück, wo es um die Rolle der sog. „Experten“ geht.
Den verschiedenen Beiträgen und Meinungen gemeinsam ist eines: die Notwendigkeit neuer Visionen für Europa. Die bisherigen Formen und Traditionen haben sich überholt und erfordern daher einer Überdenkung. Zu hoffen ist, dass diese Neuorientierung in einem starken Bewusstsein der (und der Verantwortung für die) Gefahren und Risiken für die traditionellen Werte der europäischen Zivilisation erfolgt.
Ulrike Haider
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